Unter Objektivität ist zu verstehen, dass das Testergebnis durch die Person, die den Test durchführt und auswertet, möglichst nicht beeinflusst wird. Selbstverständlich sind hier im Rahmen einer Selbstdiagnostik gewisse Verzerrungen zu erwarten (z.B. wenn ein bestimmtes Testergebnis gewünscht sein sollte oder wenn ein bestimmtes Testergebnis befürchtet wird). Allerdings werden im Rahmen einer Fremddiagnostik häufig die gleichen Testverfahren durchgeführt, die auch im Rahmen einer fundierten Selbstdiagnostik zum Einsatz kommen, nur dass in diesem Fall meistens nicht die Person selbst das Kreuzchen im Test setzt, sondern die Fachkraft, welche den Test durchführt. Allerdings bedeutet dies: Das Kreuzchen würde an der gleichen Stelle gesetzt werden - unabhängig davon, ob man das Kreuzchen mit der eigenen Hand setzt oder ob die Person, welche die Diagnostik durchführt, das Kreuzchen so setzt, wie man es ihr sagt, dass das Kreuzchen zu setzen ist. Aber selbstverständlich kann es sein, dass es in einer Interaktion mit einer anderen Person zu anderen Handlungen und Ankreuztendenzen kommt, als wenn man den Test selbst bzw. allein durchführt: So könnte es sein, 1) dass die zu diagnostizierende Person sich in der Interaktion tendenziell ehrlicher einschätzt, weil die Tendenz zum "Lügen oder Übertreiben" in der Interaktion mit einer anderen Person gehemmt ist, aber es könnte auch sein, 2) dass die zu diagnostizierende Person sich schämt, ehrlich zu antworten und somit bei der Angabe der eigenen Symptomatik deshalb "untertreibt" und in der Situation, in der sie den Test allein durchführen würde, ehrlicher antworten würde. Es zeigt sich also: Sowohl in der Situation der Selbstdiagnostik als auch in der Situation der Framddiagnostik kann es zu Prozessen kommen, welche die Objektivität (und somit letztendlich die Validität) eines Tests negativ beeinflussen können.
Um im Rahmen einer fundierten Selbstdiagnostik Objektivität bestmöglich herzustellen, ist es in aller Regel zielführend, die Testverfahren nicht nur selbst und allein durchzuführen, sondern auch nahe Angehörige, die einen gut kennen, um ihre individuelle und ehrliche Einschätzung zu bitten. Dies bedeutet, den Angehörigen die Testverfahren auszuhändigen und sie evaluieren zu lassen, ob sie bei einem Anzeichen sehen, die für Autismus sprechen. So kann sichergestellt werden, dass das, was man bei sich selbst sieht, auch von nahen Angehörigen, die einen gut kennen und aus einer anderen Perspektive betrachten, gesehen wird. Solche nahen Angehörigen können die Eltern, Geschwister, Freund:innen oder andere Personen sein, die einen gut kennen. Je besser und länger einen diese Angehörigen kennen, desto besser und aussagekräftiger dürften ihre Einschätzungen in aller Regel sein - es sei denn, dass es ihrerseits verzerrende Faktoren gibt, welche ihre Objektivität bei der Bearbeitung der Testverfahren extrem beeinträchtigen. So gibt es beispielsweise Eltern, welche die Existenz von psychiatrischen/ neurologischen Störungen per se leugnen (z.B. weil man sie im Gegensatz zu vielen körperlichen Behinderungen nicht direkt sehen kann) oder weil sie nicht eingestehen wollen, dass sie etwas derart Bedeutendes über lange Zeit (ggf. sogar über Jahre hinweg) nicht erkannt haben. So haben insbesondere viele Eltern von in der Kindheit und Jugend nicht diagnostizierten autistischen Personen (unbewusst) Angst, sich in der Erziehung vollkommen falsch verhalten und somit immense Fehler begangen zu haben, und streiten somit alle Auffälligkeiten (zunächst) ab. Manchmal kann es in solchen Fällen helfen, Eltern mitzuteilen,1) dass man weiß, dass sie das bestmögliche gegeben haben, 2) dass man ihnen keine Vorwürfe machen möchte, 3) dass es nichts an der Beziehung zu ihnen ändern wird, 4) dass man ihnen für alles, was sie für einen getan haben, dankbar ist, 5) dass man aber Klarheit darüber haben möchte, weshalb man sich wie ein Alien fühlt, wenn man sich mit anderen Menschen umgibt. Außerdem haben autistische Kinder nicht selten auch autistische Eltern: Möglicherweise sind den Eltern keine Besonderheiten aufgefallen, weil sie das spezifische Verhalten von sich selbst kennen.
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